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Gudrun Weiland

Gudrun Weiland

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abstract Gudrun Weiland

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„Tom Shark“, „Frank Allan“, „John Kling“ und „Harald Harst“ - dies sind vier der populärsten Helden aus Heftromanserien der 1920er und 1930er Jahre. Einst in hohen Auflagen vertrieben und von einem breiten Publikum gelesen, war der Heftroman von Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts eine überaus produktive und innovative Form der Populärliteratur. Heute sind diese Detektiv- und Abenteuerserien aus dem kulturellen Gedächtnis verschwunden: In öffentlichen Bibliotheken und Archiven sind sie kaum überliefert und sie werden selten zum Gegenstand literaturwissenschaftlicher Untersuchungen.

Gegenstand der Untersuchung sind Detektiv- und Abenteuerheftromanserien und ihr Lesepublikum im Kontext der literarischen Moderne, d.h. in ihren gestalterischen und diskursiven Bezügen zur kanonisierten Literatur. Ziel des Projektes ist es, zu zeigen, wie die Heftromanliteratur ihr Publikum formte und wie sie ihrerseits durch dieses geformt wurde:

  1. Wie wurde die Heftromanenrezeption durch das Zusammenwirken der seriellen Präsentation von Texten im periodischen Medium Heft und des seriellen Erzählen als einer narrativen Strategie bestimmt?
  2. Wie wurde durch Autoren, Verleger und Leser auf Grund des von ihnen geteilten Genrewissens die zeitgenössische Detektiv- und Abenteuerliteratur ausgestaltet?
  3. Wie wurden literarische Figuren aus Heftromantexten zu populären Helden - zu Figuren, die sich außerhalb ihres literarischen Ursprungs etablieren können und denen häufig der Status real existierender Personen zugeschrieben wird?

Diese Erzählformen, Genre und Figuren sind ebenso wie die Heftromane als materielle Objekte kulturelle Artefakte, die das zeitspezifische kulturelle Wissen formten und durch dieses selbst geformt wurden. Sie sind Teil der zeitlichen Identität von Lesern und können von diesen als Objekte generationeller Identifikation genutzt werden - wenn beispielsweise über populäre Helden eine Erfahrungsgemeinschaft Gleichaltriger imaginiert wird („die Helden unserer Jugend“). Die präzisierte Fragestellung des Projektes lautet folglich: Wie prägte diese Populärliteratur einerseits die generationelle Identität ihres Publikums und wie wurde sie ihrerseits durch diese geprägt?

Das Interesse richtet sich somit nicht allein auf die Texte, sondern auf die Interaktionsprozesse zwischen Text und Leser. Textstrukturen tragen ebenso zum Textverstehen bei wie das Wissen der Leser um narrative Konventionen (Serialität, Genre) und die kommunikativen Kontexte (Positionierung im literarischen Feld, Paratext). Textbasierte Leserkonstrukte (Modell-Leser) sollen dabei stets an empirisch ermittelten Umgangsweisen und Sinnzuweisungen realer Leserinnen gemessen werden. Um der Zielsetzung des Projektes gerecht zu werden, sollen Ansätze der pragmatischen Narratologie, Buchforschung und historische Leserforschung zusammengeführt werden.