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Julia Kanchana Schlichting

Julia Kanchana  Schlichting

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abstract Julia Kanchana Schlichting

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Günter Grass hat mit seiner Novelle Im Krebsgang (2002) einen bestimmten Ausschnitt der NS-Endzeit (Untergang der 'Gustloff') als Familiengeschichte über drei Generationen in der Erinnerung und der Reaktion auf diese Erinnerung inszeniert, wobei er die Großmutter als unmittelbar betroffene Zeitzeugin figuriert und deren Sohn seine Version der Ereignisse vor allem aus den sich immer wiederholenden Erzählungen der Mutter hat; der Enkel hingegen partizipiert an den Berichten der Großmutter, einer problematischen Zeitzeugenschaft. Vordergründig hat der Leser es hier mit familialen Generationstypen im biologistischen Sinn (Großmutter, Sohn, Enkel) zu tun. Verstehensmöglichkeiten und Wahrheitsanspruch einer jeden Generation sind Grundthemen der poetisch-historischen Ausbreitung der Problematiken.

In seinem autobiographischen Roman Beim Häuten der Zwiebel (2006) findet sich ein auktorialer Ich-Erzähler, der das generationelle Problem in Gestalt von Rückblenden in die Jugend realisiert.

Mit dem Roman Die Box (2008) hat Grass die unmittelbar vorangehenden Erzählwerke zu einer Art ‚Erinnerungstrilogie' verknüpft und ergänzt und eine mögliche generationelle Sprecherfunktion, die erzählperspektivisch variieret wird, ganz konträr zu Beim Häuten der Zwiebel eingesetzt. Grass lässt in Die Box die Kinder des Ich-Erzählers als verachtfachte Erinnerungsinstanzen sprechen. Seine Begründung: "Die Erinnerung kämpft mit dem Stolz, mit der Phantasie, und am Ende gewinnt doch der Stolz."

In dem Dissertationsprojekt wird der Frage nachgegangen, in welcher Weise der Anspruch auf Erinnerung sowie der Akt des Erinnerns an eine Zeitzeugenschaft und Erfahrungsgemeinschaft geknüpft ist und wie dies in einer Literatur realisiert wird, die als "Schreiben gegen die verstreichende Zeit" aufgefasst werden kann. In diesem Zusammenhang wird die These zu überprüfen sein, inwieweit von einer "Erinnerungstrilogie" gesprochen werden kann, die sich nicht in der bloßen Erinnerung eines Autors im Sinne des autobiographischen Schreibens erschöpft, sondern sich in Reflexionen des Erinnerungsprozesses ausweitet.

Zugleich wird untersucht, ob durch diesen Wunsch des Autors, die verstreichende Zeit darzustellen, ein selbsterhobener und ihm zugleich auch zugewiesener Anspruch als Sprecher seiner Generation und als Mahner an die nachgeborenen Generationen hervorgehen kann.