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Markus Neuschaefer

Markus Neuschaefer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abstract Markus Neuschäfer

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Das bedingte Selbst. Familie, Identität und Geschichte im zeitgenössischen Generationenroman (2002-2010)

Die anhaltende Popularität von Generationenromanen gibt Rätsel auf: Parallel zu einer öffentlichen Debatte um eine mögliche Krise des traditionellen Familienmodells in einer Gegenwart, deren unternehmerisch-erschöpfte Subjekte sich angeblich nicht mehr über verwandtschaftliche Bindungen definieren, erweist sich das scheinbar “vernutzte” (Sigrid Löffler) Genre als unerwartet erfolgreich und überraschend flexibel. Das Erzählmuster der Generationengeschichte findet sich nicht nur regelmäßig auf der ‘Shortlist’ für den Deutschen Buchpreis, sondern auch in der Autobiographie von Barack Obama; Kurzgeschichten in zeitgenössischen Literaturwettbewerben zeigen sich ebenso davon geprägt wie Fernsehserien und Computerspiele.

In Ergänzung zu der erinnerungskulturellen Interpretation von Familien- und Generationenromanen als literarische ‚Gedächtnisorte‘ stellt das Dissertationsprojekt die These vor, dass die Familienthematik gegenüber Subjektvorstellungen der Gegenwart in einer Konfliktlage befindet, welche für die gegenwärtige Ausprägung von Generationengeschichten mindestens ebenso prägend erscheint wie die historischen Bezüge. Aufgrund der Anlage der Texte als Generationenromane ergibt sich eine besondere Verbindung von Themen der Geschichte, der Identität und der Familie: Wird die Figurenkonstellation im Rahmen eines generationell gestuften Familiensystems organisiert, lassen sich Übereinstimmungen zwischen den Figuren immer auch als Folgeerscheinungen ihrer Verwandtschaft interpretieren. Ein Erzählzusammenhang, in dem vermeintliche Besonderheiten der Protagonisten als Effekte ihrer Prägung lesbar sind, bedeutet für die Vorstellung einer autonomen und freien Gestaltung des Selbst allerdings eine Zumutung, welche sich auch durch die dargestellten Bemühungen der Enkelfiguren um eine nachgetragene ‚Aufarbeitung‘ der Familiengeschichte nicht vollkommen auflösen lässt. Auf der Grundlage von methodischen Überlegungen zur Thematisierung von Generationenromanen wird anhand einer vergleichenden Lektüre von bekannten Vertretern des Genres ein typisiertes Erzählmuster vorgestellt, dessen Elemente und Strukturen sich in den untersuchten Generationengeschichten wiederholen.