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Katja Bruisch

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Abstract Katja Bruisch

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In der Öffentlichkeit des späten Zarenreichs hatten Bauern Konjunktur: Übereinstimmend betrachteten staatliche Reformer und weite Teile der intelligencija die russischen Bauern als Ursache für die viel beklagte Rückständigkeit ihres Landes. Sie erarbeiteten Programme zur Kultivierung der bäuerlichen Bevölkerung sowie zur Modernisierung der bäuerlichen Ökonomie. Zeitgleich zog der bäuerliche Haushalt das wissenschaftliche Interesse von Ökonomen, Statistikern und Agronomen auf sich, die ihr wissenschaftliches Interesse mit einem politischen Programm verbanden: der Demokratisierung Russlands.

Das Dissertationsprojekt zielt auf die Beantwortung der Frage, welche Funktion die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Bauernwirtschaften im Rahmen der politischen und gesellschaftlichen Visionen russischer Agrarexperten übernahm. Die Konjunktur der Bauernwirtschaft in der russischen Agrarwissenschaft soll auf diesem Wege an gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung über die Rolle von Bauern in einer modernen russischen Gesellschaft rückgebunden und in die Geschichte des späten Zarenreichs und der frühen Sowjetunion eingeschrieben werden.

Im Rahmen einer qualitativ angelegten Kollektivbiographie werden die russischen Agrarexperten als intellektuelle Elite porträtiert. Das Engagement der Agrarspezialisten in der Genossenschaftsbewegung und in landwirtschaftlichen Bildungseinrichtungen, ihre politische Aktivität während der Regierungszeit der Provisorischen Regierung sowie ihre verschiedenen Reaktionen auf die Machtübernahme der Bolschewiki sind wesentliche Stationen dieser Kollektivbiographie. Die Untersuchung folgt der Leitfrage, ob die wissenschaftliche Tätigkeit und die politischen Anliegen der russischen Agrarexperten Ausdruck eines generationsspezifischen Diskurses über die ökonomische und politische Zukunft Russlands waren und sich die Bauernwirtschaftstheorie als generationell geprägte Wissensform verstehen lässt. Das Projekt ist damit ein Versuch, die Tragfähigkeit des Generationenansatzes für wissenschaftsgeschichtliche Fragestellungen auszuloten.