Die „junge Frontgeneration“ des Ersten Weltkrieges - welche nach dem zeitgenössischem Diktum Günter Gründels „durch das Fronterlebnis [...] tiefer, härter und radikaler geworden“ sei - umfaßt die zwischen 1890 und 1900 geborenen Teilnehmer des Ersten Weltkrieges. Bisherige Untersuchungen dieser Gruppe konzentrierten sich in erster Linie auf den Zeitraum der Weimarer Republik und den Topos der „Jugendforschung“.
Das skizzierte Dissertationsverhaben möchte diesen Blickwinkel in methodischer und temporärer Hinsicht erweitern: Anhand biographischer Studien sollen ausgewählte Vertreter der „jungen Frontgeneration“ des Ersten Weltkrieges und ihr fortschreitendes Wirken untersucht werden. Dabei werden die Konstruktion des Initiationsereignisses „Fronterlebnis“ und seine professionellen Effekte ebenso untersucht wie die Generationalität und Generationalisierung der „jungen Frontkämpfer“ in den wechselnden politischen, sozialen und kulturellen Kontexten der nachfolgenden Jahrzehnte. Welchen Nutzen brachte eine Generationalisierung als „junger Frontkämpfer“ unter welchen Bedingungen mit sich? Der Berufsoffizier und Historiker Dr. Hans Speidel (1897-1984), der später als Militärberater Konrad Adenauers und als NATO-Oberbefehlshaber Mitteleuropa fungierte, steht im Mittelpunkt des zu untersuchenden Personenkreises. Am Beispiel Hans Speidels soll die lange Verwandlung des bürgerlichen Offizierstyps dargestellt werden, der sich mit den Erfahrungen zweier Weltkriege in den 1950er Jahren in der nunmehr demokratischen Bundesrepublik Deutschland etablierte. Auf welchem Weg bildete sich ein gruppenspezifisches Selbstverständnis dieser bürgerlichen Elite heraus und wie arrangierte man sich mit dem gemeinsamen generationellen Erbe unter den gegebenen sozialen und politischen Verhältnissen? Die 1950er Jahre werden demgemäß auch der zeitliche Angelpunkt sein, von dem aus das Agieren der zu untersuchenden Personen in den zurückliegenden und nachfolgenden Jahrzehnten analysiert wird. Anschlußpunkte dieser Untersuchung ergeben sich besonders zu Ulrich Herberts Studie über Werner Best, der als Vertreter der „Kriegsjugendgeneration“ und ranghöchster überlebender SS-Führer mit erfolgreicher Nachkriegsintegration einen parallelen Gegentypus darstellt. Im Fokus der Untersuchung steht zunächst die Außenansicht auf die Persönlichkeit Hans Speidel. Diese Zugangsweise ermöglicht eine objektivere Betrachtung der Person und eröffnet Einblicke in die vielfältigen Kontakte Speidels zu anderen „jungen Frontkämpfern“, die in unterschiedlichen sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Funktionen tätig waren. Durch seine Beziehungen ins europäische Ausland läßt sich zudem ein transnationaler Bezug herstellen und so die Frage untersuchen, ob es ein europäisches Phänomen im verspäteten Aufstieg der „jungen Frontgeneration“ gab.