Die Generationenforschung in Deutschland hat der "Kriegsjugendgeneration" einen festen Platz in der Geschichtsschreibung eingeräumt. Es handelt sich um jene Generation, die am ersten Weltkrieg nicht als Soldat teilgenommen hatte, geboren zwischen 1901 und etwa 1912. Aus der bisherigen Forschung geht hervor, dass die gemeinsamen Kennzeichen der Kriegsjugendgeneration in der Weimarer Republik die Erfahrung einer während den Kriegsjahren des Ersten Weltkrieges "verlorenen Kindheit und Jugend", sowie der "Hunger nach neuen Politikentwürfen" seien.
Dieses Vorhaben beschäftigt sich mit der Frage, ob in Flandern bzw. den Niederlanden in der Zwischenkriegszeit eine Generation zu erkennen ist, die in Anlehnung an die deutsche Kriegsjugendgeneration einen gemeinsamen Grundbestand politischer Grundwerte aufzuweisen hat. Wenn ja, welche Unterschiede können für die politischen Grundwerte dieser Generationen in Deutschland, Flandern beziehungsweise den Niederlanden nachgewiesen werden und wie sind sie zu deuten? Wenn nein, wie sind dann die unterschiedlichen politischen Grundwerte zu deuten?
In Flandern waren die Voraussetzungen für eine "Kriegsjugendgeneration" im Allgemeinen gegeben, da hier am Ende des Ersten Weltkrieges folgende Entwicklungen zusammenkamen: Das Selbstbewusstsein dieses Teils der Belgier nahm durch die Erfahrung des Ersten Weltkrieges zu, da der Flämische Nationalismus enorm gefördert wurde. Der Krieg stellte einen klaren Bruch in der Geschichte Belgiens dar: Nach Ausbruch des Krieges gab es Millionen von Flüchtlingen, die teilweise später wiederkehrten; ein Teil der Frontlinie verlief quer durch Flandern und das belgische Heer verlor jeden zehnten Mann. Belgien war am Ende des Krieges wirtschaftlich verarmt und große Teile des Landes völlig zerstört. Aber Belgien gehörte zu den Siegern, in Gegensatz zu Deutschland.
Die Niederlande wurden zwar nicht direkt in den Ersten Weltkrieg einbezogen, aber das heißt nicht, dass sie völlig unbeeinflusst geblieben sind von den Auswirkungen des Krieges. Auch in den Niederlanden wurde der Erste Weltkrieg als eine Krise empfunden, die sich auf die Kultur ausgewirkt hat. Dazu kam die einsetzende Modernisierung der Wirtschaft und Gesellschaft – eine Entwicklung, die sich in den angrenzenden Ländern sowie in den Niederlanden zeigte.
Die Bedeutung der deutschen Kriegsjugendgeneration erklärt sich nicht zuletzt auch durch den Massenzulauf, den die Jugendbewegungen in Deutschland erfuhren. Ein Wachstum an Jugendorganisationen ist ebenfalls in Belgien und den Niederlanden zu erkennen. Zudem wurde in beiden Ländern, wie in Deutschland, das Wahlrecht nach dem Ersten Weltkrieg an größere Teile der Bevölkerung gegeben, zugleich nahm aber in der Zwischenkriegszeit die Kritik am demokratischen System zu.